Arbeitszeitbetrug - Das machen doch alle?

Arbeitszeitbetrug - Das machen doch alle?

Fast alle hätten es schon getan, und eigentlich sei Arbeitszeitbetrug kein wirkliches Problem – so war es kürzlich in einem Medienbericht zu lesen. Arbeitgeber und Personalabteilungen sehen das jedoch deutlich kritischer. Denn was harmlos erscheint, kann zu einer fristlosen Kündigung und Schadensersatzforderungen führen. Klare betriebliche Regelungen sind daher unerlässlich.

Nach einer repräsentativen Umfrage aus dem Jahr 2024 haben ca. 70 Prozent der Arbeitgeber bewusst falsche Angaben bei der Arbeitszeiterfassung ermittelt. Ebenfalls 70 Prozent der Beschäftigten räumten selbst ein, während ihrer Arbeitszeit private Angelegenheiten zu erledigen. Dabei wurde die korrekte Erfassung der Arbeitspausen noch gar nicht berücksichtigt. Arbeitszeitbetrug ist also ein grundlegendes Problem.

Arbeitszeitbetrug – Begriff

Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbaren in aller Regel eine bestimmte Arbeitszeit, die im Arbeits- oder Tarifvertrag entweder in Wochenstunden oder in einem monatlichen Stundenkontigent festgelegt wird. Wird diese vereinbarte Arbeitszeit nicht erbracht, kann darin zwar ein Verstoß gegen den Arbeitsvertrag liegen, jedoch nicht immer ein Betrug. Dazu muss nämlich immer die Komponente der Täuschung hinzukommen.

Von Arbeitszeitbetrug ist also immer dann auszugehen, wenn bewusst vorgetäuscht wird, wie vereinbart gearbeitet zu haben. Einige private Telefonate während der Arbeitszeit können dazu ausreichen. Die Tathandlung kann durch falsche Angaben auf Stundenzetteln oder in der Arbeitszeiterfassung erfolgen, aber auch mithilfe einer anderen Person, die durch Betätigen der Arbeitszeiterfassung den Eindruck hervorruft, der Mitarbeiter sei an seinem Arbeitsplatz.

In jedem Fall bewegen sich Arbeitnehmer auf dünnem Eis, wenn sie während ihrer Arbeitszeit im Homeoffice die Wäsche aufhängen oder andere private Dinge erledigen und dabei die „Stunden-Uhr“ weiterlaufen lassen. Vor allem wenn das Homeoffice während der geschuldeten Arbeitszeit ohne auszustempeln verlassen wird, z. B. um ein Kind zur Schule zu bringen, liegt ein Arbeitszeitbetrug nahe – auch wenn die versäumte Zeit nachgearbeitet wird. Ebenso werden falsche Abrechnungen von Dienstfahrten sowie von Pausen- und Ruhezeiten in aller Regel als Betrug gewertet. Beim Einsatz von technischen Hilfsmitteln oder einer Software zum Verschleiern von Daten wird man immer von einer betrügerischen Absicht ausgehen können.

Hinweis:

Die Schwierigkeit für Arbeitgeber liegt immer darin, bei Verdacht gegen einen Arbeitnehmer die bewusste Täuschung über die Angaben zur Arbeitszeit nachzuweisen. Wer nämlich nur aus Unachtsamkeit oder versehentlich falsche Angaben macht, täuscht nicht absichtlich und begeht keinen Arbeitszeitbetrug.

Abgrenzungsfragen

Der Teufel steckt im Detail. Unterhalten sich einige Kollegen längere Zeit in lockerer Runde auf dem Büroflur, begehen sie keinen Arbeitszeitbetrug, solange sie rein fachliche Gespräche führen. Ist das nicht gewünscht, sollte der Arbeitgeber ein persönliches Gespräch mit den Beteiligten führen, statt mit arbeitsrechtlichen Maßnahmen zu drohen.

Zudem sind die Grenzen der Arbeitszeit inzwischen sehr flexibel geworden. Da bereits dienstliche Telefonate und das Checken der Firmenmails im Zug zur Arbeit auf das Arbeitszeitkonto gebucht werden können, ist die Abgrenzung zum Betrug schwierig, wenn zwischen den dienstlichen Telefonaten auf der Fahrt auch ein privates Gespräch geführt wird.

Klare Regelungen helfen

Nach der gefestigten Rechtsprechung der Arbeitsgerichte stellt ausgiebiges privates Surfen im Internet während der Arbeitszeit immer einen Kündigungsgrund dar, zumindest dann, wenn der Arbeitgeber eine Beeinträchtigung der Arbeit nachweisen kann. Gelingt ihm dieser Beweis nicht oder kann der Mitarbeiter darlegen, dass privates Surfen in einem gewissen Umfang durchaus betriebsüblich und geduldet ist, wird er den Vorwurf des Arbeitszeitbetruges widerlegen können. Hier hilft es, ggf. mit dem Betriebsrat, eindeutige Regelungen zur Nutzung des Internets oder des dienstlichen Telefons aufzustellen.

Ebenso sollten eindeutige Vorgaben zu Raucherpausen erfolgen. So kann z. B. ein grundsätzliches Ausstempeln vor der Raucherpause für alle Mitarbeiter verpflichtend angeordnet werden. Die mehrfache Missachtung einer solchen Vorgabe kann zur Kündigung führen
(LAG Thüringen, Urteil vom 3. Mai 2022, 1 Sa 18/21).

Abmahnung: ja oder nein?

Grundsätzlich stellt ein Arbeitszeitbetrug einen Kündigungsgrund dar. Nur wenn ein Arbeitnehmer in geringem Umfang gegen seine Verpflichtungen verstoßen hat, z. B. durch erstmaliges Überziehen der Pause um nur einige Minuten, wird der Arbeitgeber zuerst die gelbe Karte zeigen müssen, vor allem wenn das Arbeitsverhältnis bis dahin unbelastet war.

Letzte Konsequenz: Kündigung

Wer bei der Abrechnung seiner Arbeit falsche Angaben macht, riskiert seinen Arbeitsplatz. Insbesondere wenn Arbeitgeber darlegen können, dass aufgrund des erfolgten Arbeitszeitbetruges kein Vertrauen zum Mitarbeiter mehr besteht, halten Arbeitsgerichte eine Kündigung in der Regel für wirksam.

So sah das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern eine Kündigung als gerechtfertigt an, wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass ein Mitarbeiter von zu Hause aus das betriebliche Zeiterfassungssystem aktiviert hat, er jedoch tatsächlich erst deutlich später an seinem betrieblichen Arbeitsplatz erschienen ist (LAG Mecklenburg Vorpommern, Urteil vom 28. März 2023, 5 Sa 128/22).

Ein schwerer Vertrauensbruch, der eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt, liegt auch vor, wenn falsche Überstundennachweise vorgelegt und abgerechnet werden (BAG, Urteil vom 13. Dezember 2018, 2 AZR 370/18) oder Korrekturformulare nach einer unrichtigen Arbeitszeiteingabe in Verschleierungsabsicht falsch ausgefüllt werden (LAG Köln, Urteil vom 3. Dezember 2020, 6 Sa 494/20).

In besonders schweren Fällen können auf täuschende Mitarbeiter neben dem Arbeitsplatzverlust noch weitere Probleme zukommen. So hielt das LAG Köln zunächst die fristlose Kündigung eines Fahrkartenkontrolleurs für gerechtfertigt, der nach Feststellung des Gerichts seine Arbeitszeit u. a. zu Abstechern zum Friseur, zu seiner Partnerin und zu privaten Fotoshootings genutzt hatte. Zusätzlich verurteilte es den Arbeitnehmer zur Zahlung der Detektivkosten in Höhe von über 20.000 EUR, die der Arbeitgeber aufgewendet hatte, um den vermuteten Betrug aufzuklären (LAG Köln, Urteil vom 11. Februar 2025, 7 Sa 635/23).

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