Qualifizierungsgeld in der Praxis

Seit dem 1. April 2024 gibt es das Qualifizierungsgeld. Seither haben Unternehmen und Arbeitsagenturen erste Erfahrungen mit diesem neuen arbeitsmarktpolitischen Instrument gesammelt. Unser Beitrag stellt die ersten Erkenntnisse, Fragen und Lösungsmöglichkeiten aus der Praxis vor.

Das Qualifizierungsgeld soll Betriebe im Strukturwandel unterstützen, ihre Fachkräfte in wichtigen persönlichen und fachlichen Kernkompetenzen weiterzubilden und somit im Unternehmen zu halten. Betriebliche Voraussetzung für den Bezug von Qualifizierungsgeld ist ein Tarifvertrag, eine Betriebsvereinbarung oder zumindest eine schriftliche Erklärung der Unternehmensführung gegenüber der Arbeitsagentur, in der die Unternehmensbereiche benannt werden, in denen die Tätigkeiten der Mitarbeiter in der Zukunft durch Technologien ersetzt werden könnten.

Die entsprechenden Qualifizierungsmaßnahmen sind ebenfalls zu erläutern, dabei gelten folgende Kriterien:

  • Durch die Maßnahme werden Kenntnisse und Fertigkeiten vermittelt, die über ausschließlich arbeitsplatzbezogene kurzfristige Anpassungsfortbildungen hinausgehen,
  • der Träger der Weiterbildungsmaßnahme ist für die Förderung zugelassen,
  • die Weiterbildungsmaßnahme muss mehr als 120 Stunden umfassen,
  • im Betrieb muss ein transformations- und strukturwandelbedingter Qualifizierungsbedarf für mindestens 20 Prozent der Arbeitnehmer bestehen und
  • die Qualifizierung wird im Rahmen eines bestehenden Arbeitsverhältnisses durchgeführt.

Die Höhe des Qualifizierungsgeldes hängt von den individuellen Voraussetzungen der Mitarbeiter ab und beträgt – angelehnt an die Regelungen des Kurzarbeitergeldes – 67 bzw. 60 Prozent der durchschnittlich auf den Tag entfallenden Nettoentgeltdifferenz im zu betrachtenden Referenzzeitraum.

Praxistipp:

Unternehmen sollten ihren Antrag auf Qualifizierungsgeld mindestens drei Monate vor Beginn der Weiterbildungsmaßnahme stellen und sich zu dessen Vorbereitung möglichst frühzeitig an die für sie zuständige Agentur für Arbeit, ggf. gezielt an deren Experten für Kurzarbeitergeld, wenden.

Inhaltliche Erfahrungen und Empfehlungen

In Unternehmen, die durch Qualifizierungsgeld gefördert werden, können sich einige inhaltliche oder administratorische Herausforderungen ergeben.

Inhaltliche Probleme beim Qualifizierungsgeld ergeben sich u.a. bei folgenden Sachverhalten:

Es besteht eine gewisse Komplexität bei Details und Sonderfällen, z. B. in den Bereichen

  • Nebenbeschäftigung während der Qualifizierung,
  • persönliche und betriebliche Fördervoraussetzungen,
  • Anforderungen an den Bildungsträger und Zahl der vom Strukturwandel betroffenen Mitarbeiter.

Praxisempfehlung: Die Agentur für Arbeit stellt für komplexere Fälle sowie für die Abgrenzung von anderen Weiterbildungsfördermöglichkeiten ausführliche Informationsunterlagen bereit.

Die Genehmigung der Förderung ist teilweise unsicher durch den Ermessensspielraum der zuständigen Agentur für Arbeit, insb. bei

  • der Beurteilung des konkreten Qualifizierungsbedarfs,
  • den zu erwartenden Beschäftigungsperspektiven und
  • dem Ausmaß der Inanspruchnahme der Förderung.

Praxisempfehlung: Arbeitgeber sollten sehr frühzeitig Kontakt mit der Agentur für Arbeit aufnehmen, eine möglichst detaillierte Bedarfsanalyse durchführen und die konkrete betriebliche Situation als Argumentation für die Förderung darstellen.

Der Nachweis des Qualifizierungsbedarfs im Unternehmen, insbesondere bei der Begründung mit der sog. „nachhaltigen Beschäftigung“ als Folge einer angestrebten Inhouse-Qualifizierung, kann gelegentlich aufwändig sein.

Praxisempfehlung: Diese Argumentation sollte der Arbeitgeber im Vorfeld mit der zuständigen Agentur für Arbeit abstimmen.

Die Voraussetzung eines Tarifvertrages oder einer Betriebsvereinbarung mit der Arbeitnehmervertretung für die finanzielle Förderung ist nicht gegeben.

Praxisempfehlung: Sollten insb. bei Kleinunternehmen keine betriebsverfassungsrechtlichen Strukturen vorhanden sein, empfiehlt sich in Absprache mit der zuständigen Agentur für Arbeit eine ausführliche schriftliche Erklärung mit Bedarfsbegründung durch die Unternehmensleitung.

Die Anforderungen und Dokumentationen, die für die Antragstellung notwendig sind, gestalten sich nicht durchgehend verständlich, insbesondere bei der Auswahl der förderfähigen Weiterbildungsmaßnahmen.

Praxisempfehlung: Informationen hierzu sind in der Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung (AZAV) sowie bei der Bundesagentur für Arbeit zu finden.

Hinweis:

Beschäftigte, die innerhalb der letzten vier Jahre vor Antragstellung bereits an einer nach § 82 SGB III geförderten Weiterbildung teilgenommen haben, können kein Qualifizierungsgeld erhalten. Dies schließt einen nicht unerheblichen Teil von Mitarbeitern aus, die in der betrieblichen Praxis oft vom Strukturwandel besonders betroffen sind.

Administrative Erfahrungen und Empfehlungen

Grundsätzlich orientieren sich die Höhe und Berechnung des Qualifizierungsgeldes sehr stark an den Regelungen des Kurzarbeitergeldes. Allerdings wird es nicht monatlich neu berechnet, sondern einmalig vor Beginn der Qualifizierung. Nicht alle Entgeltabrechnungsprogramme sind jedoch in der Lage, diese Abrechnungspraxis systemtechnisch abzuwickeln. Hier ist in den Unternehmen teils noch eine separate, manuelle Berechnung notwendig.

Auch die versicherungs- und beitragsrechtlichen Regelungen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung sind bei Bezug von Qualifizierungsgeld grundsätzlich mit denen bei Bezug von Kurzarbeitergeld identisch. In einigen Punkten bestehen jedoch auch Unterschiede, beispielsweise bei der Gewährung von Arbeitgeberzuschüssen.

Praxisempfehlung: Informationen hierzu finden sich im Besprechungsergebnis über Fragen des gemeinsamen Beitragseinzugs vom 28. November 2024, das wir Ihnen in der kommenden Ausgabe des BKK Service noch ausführlicher vorstellen.

Noch nicht optimal geregelt ist die gleichzeitige Zahlung von Qualifizierungsgeld und Urlaubsentgelt. Urlaubstage an Tagen der Weiterbildung sind der Agentur für Arbeit mit einer Veränderungsmeldung gesondert mitzuteilen und führen zu einer entsprechenden Kürzung des Qualifizierungsgeldes. Praxisempfehlung: Dieser Prozess ist zwar digital möglich, jedoch derzeit noch zeitaufwändig und gegenüber den Mitarbeitern teils schwer vermittelbar.

Der Beantragungs- und Abwicklungsprozess erfordert eine Vielzahl von Unterlagen wie einer Zustimmung des geförderten Mitarbeiters sowie entsprechende Abrechnungs- und Teilnehmerlisten.

Praxisempfehlung: Zur Verwaltung empfiehlt sich – auch um die Dokumentationsnotwendigkeiten einzuhalten – der eService der Bundesagentur für Arbeit.