Hilfe bei Sucht am Arbeitsplatz

Suchterkrankungen sind ein Tabuthema – Wegsehen aber keine Lösung. Nach Schätzungen sind über 9,5 Millionen Erwachsene in Deutschland abhängig, darunter viele Arbeitnehmer. Vorgesetzte können einen wichtigen Beitrag dazu leisten, Süchten vorzubeugen und Betroffene zu unterstützen.

Bei Süchten wird unterschieden zwischen substanzbezogenen Abhängigkeiten (beispielsweise von Alkohol oder Drogen) und Verhaltenssüchten (Internet-, Computerspiel- und Glücksspielsucht). Suchtprobleme in Betrieben werden häufig unterschätzt.

Dass Suchterkrankungen in Deutschland weit verbreitet sind, zeigen Zahlen des Bundesdrogenbeauftragten für 2021:

  • ca. 4,4 Mio. Menschen sind tabakabhängig,
  • ca. 1,8 Mio. sind abhängig von Medikamenten,
  • ca. 1,6 Mio. sind alkoholabhängig,
  • ca. 1,3 Mio. konsumieren illegale Drogen und Cannabis,
  • ca. 1,3 Mio. haben eine glücksspielbezogene Störung und
  • ca. 560.000 sind onlineabhängig.

Abhängigkeit im Betrieb

Im Unternehmen wirken sich Süchte auf die Gesundheit der Mitarbeiter, die Produktivität und das Betriebsklima aus. Das Risiko, sich selbst und andere zu gefährden, ist erhöht. Der Unfallkasse Hessen zufolge ist Alkohol bei 30 bis 50 Prozent der Arbeitsunfälle Mitursache. Auch der Suchtmittelkonsum (kurz) vor Arbeitsbeginn wirkt in das Arbeitsverhältnis und beeinträchtigt die Arbeitssicherheit. Aufgrund ihrer Fürsorgepflicht stehen Arbeitgeber vor der Herausforderung, Suchtgefährdungen bzw. -erkrankungen zu erkennen, angemessen zu reagieren und präventive Maßnahmen zu ergreifen.

Die DGUV-Unfallverhütungsvorschrift 1 (§ 15, Absatz 2 und 3) regelt, dass sich Arbeitnehmer vor oder bei der Arbeit nicht in einen Zustand versetzen dürfen, der sie selbst oder andere gefährden könnte, sei es durch Alkohol, Drogen, andere berauschende Mittel oder Medikamente.

Wichtig:

Seit dem 1. April 2024 erlaubt das Cannabisgesetz (CanG) mit Einschränkungen den Anbau und Besitz von Cannabis. Dies birgt für Arbeitgeber besondere Herausforderungen: Mitarbeiter dürfen nicht unter dem Einfluss von Cannabis stehen, wenn sie zur Arbeit kommen, oder während der Arbeitszeit Cannabis konsumieren.

Süchte erkennen

Süchte bleiben oft lange unbemerkt. Dennoch gibt es bestimmte Warnsignale, auf die Arbeitgeber achten sollten:

  • Verhaltensänderungen: Mitarbeiter sind häufig unpünktlich oder haben unerklärliche Fehlzeiten, zeigen Stimmungsschwankungen oder ziehen sich zurück.
  • Leistungseinbußen: Ein plötzlicher Rückgang der Produktivität, Konzentrationsprobleme oder häufige Fehler können auf eine Sucht hindeuten.
  • Physische Anzeichen: Alkoholgeruch, zitternde Hände oder eine ungepflegte Erscheinung können Symptome einer Sucht sein.
  • Sozialverhalten: Konflikte mit Kollegen oder Vorgesetzten, aggressive Reaktionen oder mangelnde Teamfähigkeit können auf Suchtprobleme hindeuten.

Präventionsmaßnahmen

Um ein suchtfreies Arbeitsumfeld zu schaffen, ist eine offene Unternehmenskultur wichtig. Orientierung bieten klare Richtlinien zum Alkoholkonsum, Drogenmissbrauch oder zu exzessiven Online-Aktivitäten am Arbeitsplatz. Workshops können das Bewusstsein für Süchte und deren Auswirkungen schaffen, Rauchentwöhnungsangebote gehen konkret gegen die Nikotinsucht vor. Maßnahmen zur Gesundheitsförderung wie Yoga, Entspannungsübungen oder Sportprogramme tragen dazu bei, Stress abzubauen und die mentale Gesundheit zu stärken. Die Betriebskrankenkassen können hierzu beraten und ggf. auch Förderungen durchführen.

Gespräche und Vereinbarungen

Vermuten Vorgesetzte eine Sucht bei einem Arbeitnehmer, sollten sie ihn so früh wie möglich zu einem vertraulichen und respektvollen Gespräch bitten. Darin können sie eigene Wahrnehmungen schildern, z. B., dass der Arbeitnehmer in der letzten Zeit häufig zu spät kommt und viele Flüchtigkeitsfehler macht, nach den Ursachen fragen sowie Hilfe anbieten. Ein Satz wie „Ich glaube, Sie sind alkoholkrank“ sollte hingegen unterbleiben – die Feststellung einer Suchterkrankung ist Aufgabe eines Arztes.

Besteht bereits eine Sucht, kann der Arbeitgeber auf Unterstützungsangebote wie örtliche Suchtberatungsstellen hinweisen. Er sollte klare Erwartungen an den Betroffenen kommunizieren. Ein gemeinsam erstellter, realistischer Plan umfasst z. B. therapeutische Maßnahmen. Ist keine Bereitschaft zu einer Änderung erkennbar, können disziplinarische Maßnahmen die Konsequenz sein – allerdings nur als letztes Mittel.

Praxistipp: