Kleidungsvorschriften am Arbeitsplatz

So mancher soll ja froh und dankbar sein, wenn man ihm sagt, was er anziehen soll. Allerdings sind betriebliche Kleidungsordnungen in vielen Arbeitsbereichen aus anderen Gründen üblich – und können bei Nichtbeachtung sogar zur Abmahnung führen.

Während manche Arbeitgeber das Tragen bestimmter Kleidungsstücke am Arbeitsplatz strikt verbieten, wird in anderen Unternehmen auf positive und motivierende Anreize gesetzt – oder die Kleidungswahl durch Sicherheitsbestimmungen vorgegeben. In allen Fällen stellt sich aber dieselbe Frage: Darf ein Arbeitgeber Vorschriften zur Kleidung am Arbeitsplatz machen oder ist es ein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten?

Rechtsgrundlagen

Geht es um die Frage der Arbeitssicherheit, ist die Antwort einfach: Immer wenn die Sicherheit der Beschäftigen es erfordert, kann der Arbeitgeber das Tragen von Sicherheits- oder Schutzkleidung verlangen, z. B. in Fabriken, auf Baustellen, in Handwerksberufen oder Krankenhäusern. Gleiches gilt, wenn der Arbeitsplatz die Einhaltung besonderer hygienischer Standards verlangt, z. B. in Laboren oder Arztpraxen. Die Vorgaben zum Tragen bestimmter Kleidung können sich in diesen Fällen aus gesetzlichen Vorschriften ergeben, wie z. B. dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) oder der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) oder aus Anordnungen der gesetzlichen Unfallversicherung. In diesen Fällen hat der Arbeitgeber kaum Handlungsspielraum, sondern ist sogar dazu verpflichtet, den Beschäftigten die Schutzkleidung zur Verfügung zu stellen und das Tragen zu überwachen, wenn er kein Bußgeld riskieren will.

Außerhalb gefahrgeneigter Arbeitsbereiche und ohne Schutz vor Arbeitsunfällen ist die Sache schon etwas schwieriger. So mag es verständlich sein, dass es in einem seriösen Geldinstitut nicht gern gesehen ist, wenn Kunden von Mitarbeitern im Hawaii-Hemd oder in Jogginghose bedient werden. Allerdings gibt es keine eindeutige gesetzliche Bestimmung, die es Arbeitgebern erlaubt, ihren Beschäftigten das Tragen von Anzug oder Kostüm im Detail vorzuschreiben.

Zwar könnten dahingehende Vorgaben schon im Arbeitsvertrag enthalten sein, aber dort werden eher allgemeine Richtlinien wie „angemessene Kleidung“ aufgeführt, nicht jedoch Detailfragen wie „Krawatte ja/nein?“

Mitbestimmung

Besteht ein Betriebsrat, haben Arbeitgeber die Möglichkeit, mit der Mitarbeitervertretung eine Betriebsvereinbarung zu schließen und dort sämtliche Details des Dresscodes am Arbeitsplatz festzulegen. Eine Betriebsvereinbarung wirkt dann wie ein Bestandteil des Arbeitsvertrages und ist von den Beschäftigten zu beachten.

Hinweis:

Ohne Zustimmung des Betriebsrates können Vorgaben zum Tragen bestimmter Kleidung am Arbeitsplatz nicht wirksam angeordnet werden. Denn alle Aspekte der Ordnung im Betrieb und des Verhaltens der Mitarbeiter unterliegen nach § 87 Abs.1 Nr. 1 BetrVG der zwingenden Mitbestimmung des Betriebsrates, sofern es sich nicht um gesetzliche Auflagen zum Arbeitsschutz handelt.

Direktionsrecht

Gibt es weder einen Betriebsrat noch einen Tarifvertrag, kann der Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechts eine Kleiderordnung einseitig vorgeben. Allerdings wird er dabei auch die Rechte der Beschäftigten zu beachten haben, insbesondere deren Persönlichkeitsrechte. Der § 106 GewO gestattet Arbeitgebern zwar, das Arbeitsverhältnis zu gestalten und in Fragen der Ordnung im Betrieb und des Verhaltens der Mitarbeiter Entscheidungen zu treffen, aber nur unter Ausübung „billigen Ermessens“.

Vereinfacht gesagt darf der Arbeitgeber immer dann einen Dresscode vorgeben, wenn seine grundgesetzlich geschützten unternehmerischen Interessen höher zu bewerten sind als das allgemeine Persönlichkeitsrecht seiner Mitarbeiter. Dazu müssen die Kleidungsanordnungen geeignet, erforderlich und angemessen sein, um den Unternehmenszweck zu erreichen, ohne die Mitarbeiter übermäßig einzuschränken oder gar zu diskriminieren.

Ob Kleidungsvorgaben zulässig sind, kommt, wie so oft im Arbeitsrecht, auf die Umstände des Einzelfalls und damit auch auf Veränderungen in der Wahrnehmung von Kleidung an. Abwägungskriterien sind u. a. Erwartungen an das Berufsbild, Kundenkontakt, Außendarstellung etc. Wo früher strikt das Tragen eines Anzugs verlangt wurde, bestehen manche Unternehmen heute auf ein betont lockeres Outfit mit Sneakern. Viele Unternehmen setzen auf ein einheitliches und positiv wirkendes Bild ihrer Beschäftigten, auch als Zeichen der Identifikation, was rechtlich nicht zu beanstanden ist, soweit keine Grenzen überschritten werden.

So ging ein Geldinstitut aus der Schweiz vor einiger Zeit so weit, weiblichen Angestellten in einer mehr als 40 Seiten umfassenden Richtlinie zur Kleidungsordnung am Arbeitsplatz die Länge ihrer Röcke sowie hautfarbene Unterwäsche vorzuschreiben. Männer durften nicht mehr als drei Schmuckstücke und generell keine bunten Socken tragen. Es bedarf keiner großen Fantasie, dass so weitreichende, die Intimsphäre betreffende Regelungen in Deutschland kaum Bestand vor einem Arbeitsgericht hätten – sie sind schlicht nicht angemessen.

Sicherheit geht vor

Aktuell hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf entschieden, dass ein Industriebetrieb gegenüber seinen in der Produktion tätigen Arbeitnehmern das Tragen roter Arbeitsschutzhosen wirksam anordnen kann. Die Richter bestätigten zwar einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer, hielten diesen jedoch nicht für gravierend. Vielmehr sei die Anordnung aus Gründen der Arbeitssicherheit gerechtfertigt, weil im gefahrträchtigen Produktionsbereich Hosen in der Signalfarbe Rot die Sichtbarkeit der dort tätigen Arbeitnehmer verbessern würden. Zudem sei, offenbar auch in der Produktion, das Interesse des Arbeitgebers an der Wahrung der Corporate Identity im Betrieb höher zu bewerten als das ästhetische Empfinden eines Arbeitnehmers, der eine andere Hosenfarbe bevorzugte (LAG Düsseldorf, Urteil vom 21. Mai 2024, 3 SLa 224/24).

Zu beachten ist, dass Sicherheitsaspekte in der Produktion des Unternehmens deutlich höher bewertet wurden als das Individualrecht der Beschäftigten, nicht zuletzt auch, weil diese dort nicht in der Öffentlichkeit arbeiten. Das Urteil hat damit z. B. nur wenig Auswirkungen auf Arbeitnehmer mit Kundenkontakt. Aber auch bei stärkerer Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit, etwa im Straßenbau oder bei Müllwerkern, hat Sicherheitskleidung absoluten Vorrang.

Arbeitsrechtliche Maßnahmen

Die vorgegebene Kleidungsordnung einzuhalten gehört zu den arbeitsvertraglichen Pflichten eines Mitarbeiters, soweit kein diskriminierender Hintergrund besteht. Unter Sicherheitsaspekten kann übrigens auch das Tragen z. B. von weit fallenden Kleidungsstücken, Shorts oder bestimmten Kopfbedeckungen in Produktionsbereichen aus sachlichem Grund untersagt werden. Weigert sich der Arbeitnehmer, die geltenden Vorschriften zum Tragen bestimmter Kleidung im Betrieb zu befolgen, kann der Arbeitgeber auf diese Pflichtverletzung zunächst mit einer Abmahnung reagieren. Eine Kündigung dürfte, sofern keine Sicherheitsaspekte betroffen sind, erst bei dauerhafter und gravierender Missachtung in Betracht kommen.

Änderungen im Betriebsverfassungsgesetz in Kraft

Am 25. Juli 2024 ist das „Zweites Gesetz zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG)“ in Kraft getreten. Inzwischen sind die Neuerungen und somit auch die Vorgabe zu den vergleichbaren Arbeitnehmern, deren Gehalt als Referenz für jenes des Betriebsrates dient, verabschiedet. Absatz 4 des § 37 BetrVG bestimmt nun, dass bei der Festlegung der „vergleichbaren Arbeitnehmer“ auf den Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamtes abzustellen ist, soweit nicht ein sachlicher Grund für eine spätere Neubestimmung vorliegt oder eine abweichende Betriebsvereinbarung geschlossen wurde. Auch § 78 BetrVG wurde ergänzt, er besagt nun, dass keine Begünstigung oder Benachteiligung im Hinblick auf das gezahlte Arbeitsentgelt vorliegt, wenn das Betriebsratsmitglied die für die Gewährung des Arbeitsentgelts erforderlichen betrieblichen Anforderungen erfüllt und die Festlegung nicht ermessensfehlerhaft erfolgt.

Die grundsätzlichen Aussagen unseres Beitrages bleiben damit bestehen, da es bei einer Kann-Regelung bezüglich der klärenden Betriebsvereinbarung geblieben ist.